Kurzgeschichte Weihnachten

Kurzgeschichte Weihnachten

„Wenn das Licht sich teilt“

Winterlichter in Arrowwood

Kurzgeschichte Weihnachten

Mach’s dir gemütlich, vielleicht mit einem Tee oder einer Kerze – denn heute habe ich eine kleine Adventsgeschichte für dich. Wenn du magst, kannst du sie dir hier auch gleich anhören oder wenn du lieber liest, findest du den Text direkt darunter.

Arrowwood roch an diesem Morgen nach Zimt, Aufbruch und Überforderung. Lainey stand mitten im Diner, beide Hände im Mehl, als das Telefon zum vierten Mal klingelte. Sie ignorierte es.

Ihre Tante ignorierte es nicht. „Beths Diner, guten Morgen!“, rief sie von der Küche her, das Telefon zwischen Schulter und Ohr eingeklemmt. „Ja, Mr. Jennings, wir haben genug Sitzplätze! Nein, keine Reservierungen nötig! … Was? Woodsy’s Bar? Ach, die hat auch was vor, aber hier gibt’s echtes Essen, nicht nur Lärm!“

Lainey verdrehte die Augen. „Beth, du wirst am Ende einen Streit auslösen.“

„Ich nenne das Werbung!“ Beth legte auf, drehte sich um und wischte sich die Hände an der Schürze ab. „Wenn June glaubt, sie kann mit Musik und Gedichten gegen Zimtschnecken antreten, irrt sie sich gewaltig.“

„Clayton hilft ihr“, warf Lainey ein, während sie Teig auf die Arbeitsfläche legte.

„Genau! Noch schlimmer! Wenn der Mann nicht so hübsch wäre, hätte ich ihm längst eine versalzene Zimtschnecke serviert.“

Lainey lachte, zog mit dem Messer einen Strich durch den Teig. „Vielleicht ist das eine Marktlücke?“

„Frechdachs“, knurrte Beth, konnte sich aber ein Grinsen nicht verkneifen.

Lainey wischte sich die Hände ab und trat ans Fenster. Draußen fuhren Trucks vorbei, Schnee spritzte auf, und man hörte aus der Ferne das gedämpfte Klopfen von Hämmern. Junes Team baute auf der anderen Straßenseite ihre Bühne auf. Die Bar wirkte im Winterlicht gemütlich. Ein paar Leute schleppten Holzbretter, Musiknoten flatterten aus einer Mappe, und mittendrin stand Clayton Perry, dunkle Jacke, Notizbuch in der Hand, die Haare zerzaust im Nacken unterm Cowboyhut wie immer. Er sah auf, bemerkte sie im Fenster und grinste.

Lainey tat so, als würde sie das Tuch auf der Fensterbank ordnen, aber das Lächeln, das ihr entwich, verriet sie.

Beth folgte ihrem Blick. „Oh nein. Nicht schon wieder dieser Ausdruck. Ich kenn den. Den hattest du auch, als du den letzten Streuner hier reingelassen hast.“

„Der Streuner war ein Hund, Beth. Und Emily hat ihm das Leben gerettet.“

„Und der hier ein Poet mit Überzeugungskomplex.“

Lainey seufzte. „Vielleicht sollten wir einfach zusammenarbeiten.“

Beth stemmte die Hände in die Hüften. „Zusammenarbeiten? Mit ihnen? Wenn June den Abend moderiert, landet die halbe Stadt betrunken im Schnee.“

„Oder glücklich“, murmelte Lainey.

In diesem Moment ging die Tür auf, und Caroline, in eine dicke Decke gewickelt, trat ein, Tom dicht hinter ihr.

„Was seh ich da?“, fragte sie mit diesem milden Lächeln, das nie wusste, ob es predigen oder plaudern wollte. „Zwei Frauen, zwei Feste, ein Ort. Klingt nach göttlicher Komödie.“

Beth wollte kontern, aber Caroline hob eine Hand. „Ihr teilt euch das Licht, meine Lieben. Das war der Plan. Nicht jeder muss seine eigene Sonne haben.“

Lainey lächelte leise. „Wir wollten nur … es ein bisschen unterschiedlich machen. Diner gemütlich, Bar musikalisch.“

„Und beide gleichzeitig?“

Beth und Lainey sahen sich an.

„Na wunderbar“, sagte Caroline. „Dann kriegt Arrowwood am dritten Advent eben zwei Lichter. Eins für den Magen und eins für die Seele.“ Sie drehte sich um, sah hinaus zum verschneiten Dorfplatz, wo Kinder Schneemänner bauten. „Solange sie am Ende zusammen leuchten, ist alles gut.“

Tom half ihr wieder hinaus. Kaum war die Tür zu, herrschte kurz Schweigen.

Beth atmete tief durch. „Ich liebe Granny. Aber sie macht’s einem schwer, sich aufzuregen.“

Lainey lachte. „Das ist ihre Superkraft.“

Draußen hob sich plötzlich eine Stimme. Clayton, der in der Kälte ein paar Zeilen in sein Notizbuch diktierte. Der Wind trug die Worte bis ans Dinerfenster: „Wenn Licht sich teilt, verliert’s nichts, es wird nur mehr.“

Lainey spürte, wie etwas in ihr warm wurde, trotz des Schnees, der gegen die Scheiben fiel. „Tja“, sagte sie schließlich. „Vielleicht hat er recht.“

„Oder zu viel Tee mit Rum“, grummelte Beth.

Aber als Lainey die Tür öffnete, um den Duft frischer Zimtschnecken hinauszulassen, sah sie drüben, wie June und Clay gemeinsam lachten. Plötzlich wusste sie, dass dieses winterfest kein einfaches, aber ein schönes werden würde.

Wenn man Arrowwood an diesem Dezembertag von oben gesehen hätte, hätte es gewirkt, als hätte jemand zwei Feste in denselben Schneehaufen gesetzt und vergessen, sie zu verbinden. Links vom Dorfplatz das Diner, die Fenster geschmückt, goldene Sterne, Duft nach Vanille und warmem Apfelpunsch. Rechts die Bar, bunte Lichterketten, ein Banner mit Noten darauf, Stimmen, die lachten und probten. Und mittendrin stand Lainey Somerset, mit kalten Fingern und einem Herzen, das gleichzeitig glühte und flatterte.

„Ich sag’s dir, Kind“, rief Beth von der Veranda, „wenn June noch eine dieser lauten Musikproben macht, hören meine Zimtschnecken auf, aufzugehen!“

Lainey lachte, schob eine Kiste mit Punschbechern über den Platz. „Das nennt man Stimmung, Tante Beth.“

„Das nenn ich Lärm!“

Lainey stellte die Kiste ab und blieb einen Moment stehen, um sich umzusehen. Arrowwood war wunderschön an diesem Tag: Der Schnee lag unberührt auf den Dächern, Kinder liefen kreischend über den Platz, und von überall klang ein leises Summen, die Dorfbewohner, die Vorfreude, das Leben. Nur … eben doppelt.

Auf der Bar-Seite baute Clay gerade mit Rabbit und June den Rest einer kleinen Bühne auf. Lainey beobachtete, wie er den schweren Lautsprecher hob, den Cowboyhut tief im Gesicht, Wangen gerötet, und bei dem Gedanken, dass das ihr Mann war, zog sich etwas Warmes in ihr zusammen.

Er winkte ihr zu. „Hey, Sonnenschein! Kannst du mal rüberkommen? Wir brauchen deine Feenmagie mit den Kabeln!“

Beths Kopf fuhr herum. „Sie braucht gar nichts, Poet, sie hilft mir mit dem Buffet!“

Clay hob beide Hände, grinste. „Ich leih sie mir nur kurz, versprochen!“

„Das haben schon viele gesagt!“, rief Beth zurück, und einige Dorfbewohner lachten.

Lainey schüttelte den Kopf, konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen und stapfte über den verschneiten Platz. Sie blieb neben ihm stehen, sah ihm zu, wie er das Kabel prüfte. Sie standen dicht beieinander, Atemwolken berührten sich in der Kälte. Clay roch nach Holzrauch und frischem Kaffee.

„Du siehst müde aus“, sagte er leise.

„Ich bin müde. Zwischen Brownies, Zimtschnecken, Punsch und diplomatischen Krisen ist kaum Platz für Schlaf.“

„Ich bring dir später heißen Kakao. Mit Whisky und Marshmallows. Und ohne Zuschauer.“

„Wenn du’s schaffst, Tante Beth zu blenden, bist du mein Held.“

„Ich hab’s leichter“, grinste er. „Ich hab sie schon mal betrunken von Zimtschnaps gesehen. Danach ist sie zahm.“

Sie lachte laut, und das Lachen klang so hell, dass sich sogar June kurz umdrehte und rief: „Ihr zwei! Wenigstens einer von euch klingt optimistisch!“

Aber der Frieden hielt nicht lang. Später, als der Nachmittag dunkler wurde, begannen die Gespräche. Wer würde zum Diner gehen? Wer zur Bar? Einige wollten zu beiden, aber niemand wollte sich festlegen.

Lainey hörte Fetzen: „Beth hat die besten Kekse.“ – „Clay bringt Livemusik, das ist spannender.“ – „Wenn das so weitergeht, feiern wir doppelt.“ – „Oder gar nicht.“

Sie stand am Rand des Platzes, die Hände in den Manteltaschen. Der Schnee glitzerte, aber irgendwas darin fühlte sich falsch an, wie Licht, das sich teilt, ohne sich zu berühren.

Clay trat zu ihr, legte ihr die Hände auf die Schultern. „Hey. Nicht dein Fehler.“

„Doch. Ich hätt’s stoppen sollen, bevor’s anfing.“

„Oder du lässt es wachsen, bis es schön wird.“

Sie sah ihn an, zweifelnd. „Zwei Feste, zwei Lager, eine Tante, die mich umbringt, das nennst du schön?“

„Vielleicht ist’s das, was Arrowwood braucht. Zwei Wege zum selben Licht.“

Lainey schwieg. Er hatte diese Art, Dinge so zu sagen, dass sie logisch klangen, bis man sie fühlte und merkte, wie kompliziert sie waren. Von der Bar drüben erklang Musik, erste Probe, eine Geige, eine Gitarre, Clays Stimme, warm und klar. Vom Diner drüben kam der Duft nach frisch gebackenem Brot und Apfelkuchen. Und dazwischen, mitten auf dem Platz, stand Caroline mit Tom, dick eingepackt, und betrachtete die beiden Seiten.

„Das ist Arrowwood“, sagte sie, als Lainey und Clay näherkamen.

„Nicht perfekt, aber hell. Solange ihr euch nicht den Strom klaut, wird’s gut.“

Clay zwinkerte. „Versprochen, Granny. Wir teilen fair.“

Caroline lächelte. „Dann möge das dritte Licht euch lehren, dass Teilen nichts mit Trennen zu tun hat.“

Am frühen Abend stellte Lainey gerade die letzte Schüssel Zimtschnecken aufs Buffet, als das Summen der Musik von drüben über die Straße wehte. Clay gab eines seiner Gedichte zum Besten. Seine Stimme war warm, trug durch die kalte Luft, und die Gäste im Diner hielten kurz inne.

Beth verdrehte die Augen. „Siehst du? Ich sag’s ja, die versuchen, uns den Abend zu stehlen.“

„Niemand stiehlt was, Tante Beth.“ Lainey versuchte, ruhig zu klingen, während ihr Herz im selben Takt wie Clays Stimme schlug. „Es sind einfach … zwei Feste.“

„Ein Dorf, zwei Feste! Wie klingt denn das?“ Beth stemmte die Hände in die Hüften. „Als ob wir uns nicht vertragen würden!“

Lainey zog die Mütze tiefer ins Gesicht. „Na ja … eigentlich tun wir’s grad nicht.“

„Papperlapapp.“ Beth schnappte sich eine Schöpfkelle und ging zur Punschtheke. „Solange meine Zimtschnecken besser sind als ihre Musik, geht die Welt nicht unter.“

Lainey lächelte, doch ihre Gedanken waren bereits drüben. Durch das Fenster sah sie die Menschenmenge vor der Bar. Lichterketten in allen Farben, Musiker mit Gitarren, June, die flinke Getränke mischte. Clay stand am Mikrofon, der Schal locker um den Hals. Er wirkte so in seinem Element, dass sie einen Moment lang vergaß, zu atmen. Dann setzte die Geige ein, eine Melodie, die sie kannte. „Das ist unser Lied“, flüsterte sie.

Beth drehte sich um. „Wie bitte?“

„Nichts.“ Lainey lächelte und griff nach ihrer Jacke. „Ich muss mal kurz rüber. Technisches Problem. Ich bin gleich zurück.“

„Wenn du mir den Punsch anbrennen lässt, kannst du bis Ostern drüben bleiben!“ rief Beth ihr nach.

Der Schnee knirschte unter ihren Stiefeln, während sie über die Straße ging. Musik, Lachen, Lichter, alles wirbelte durcheinander.

June sah sie kommen und winkte mit einem Glas. „Na sieh mal an, Friedensmission aus dem Diner!“

„Ich will nur sehen, ob alles läuft.“

„Läuft wie geschmiert. Nur Beth schickt Spione rüber.“ June grinste. „Magst du auch ’n heißen Apfelpunsch?“

„Nur, wenn ich keinen Waffenstillstand unterschreiben muss.“

Clay kam vom Bühnenrand herunter, legte den Arm um sie. Sein Mantel roch nach Winter und Musik. „Du bist gekommen.“

„Ich wollte sehen, ob deine Stimme mit der Geige mithalten kann.“

Er lachte leise. „Bleib ein bisschen. Ich will, dass du das nächste Gedicht hörst.“

„Wenn Beth mich dabei sieht, macht sie aus mir eine Schneefrau.“

„Dann mach ich dich wieder warm.“

Lainey stieß ihm spielend gegen die Brust, doch die Wärme in seinen Augen blieb.

Er stieg zurück auf die Bühne, nahm das Mikro. „Für die, die glauben, dass man Licht nicht teilen kann, ohne es zu verlieren.“

Eine Melodie setzte ein und dann trug er eines seiner Gedichte vor, das leise begann und sich über den Platz ausbreitete. Lainey hörte zu, die Arme verschränkt, die Augen auf ihn gerichtet. Hinter ihr summten die Generatoren, über ihr fiel feiner Schnee. Und in diesem Moment ging drüben im Diner das Fenster auf. Beth stand dort, Punschkelle in der Hand, die Augen schmal.

„Oh-oh“, murmelte June. „Das wird noch lustig.“

„Ich geh besser rüber.“ Lainey wandte sich ab, spürte den Blick von Beth im Rücken und den von Clay im Herzen.

Als sie zurück über den Platz ging, mischten sich die Geräusche der beiden Feste, Lachen und Musik, Klang und Geruch, alles gleichzeitig. Ein kurzer Windstoß wehte die Schneeflocken zwischen die beiden Lichterketten, und für einen Moment schien es, als würden sie sich berühren. Etwas flackerte. Ein leises Zischen am Stromkasten neben dem Diner, fast überhört im Trubel. Lainey blieb stehen, runzelte die Stirn. „Bitte nicht jetzt …“ Doch alles blieb hell. Sie atmete auf, kehrte ins Diner zurück, setzte ein Lächeln auf und half Beth, Teller zu reichen.

Aber in ihr pochte eine Ahnung, so beharrlich wie ein Herzschlag: Wenn zwei Lichter zu hell leuchten, wird die Nacht nicht mehr wissen, wo sie hinsehen soll.

Zuerst war es nur ein Flackern. Ein kaum merkliches Zittern in den Glühbirnen über dem Diner, ein kurzes Blinzeln des Stroms. Dann, ein zweites. Und ein drittes – bevor alles gleichzeitig erlosch. Ein dumpfer Schlag, als die Heizlüfter verstummten. Ein leises Aufkeuchen der Gäste.

Dann Stille.

„Oh nein …“ Beth hielt die Punschkelle in der Luft, als könne sie das Licht zurückschöpfen. „Nicht schon wieder!“

Lainey spürte, wie die Dunkelheit dichter wurde, weich, aber plötzlich unendlich groß. „Bleib ruhig“, befahl sie sich. „Vielleicht hat’s nur die Sicherung erwischt.“

„Sicherung?“ Beth stemmte die Hände in die Hüften. „Das ganze Dorf ist dunkel!“

Und tatsächlich, als Lainey ans Fenster trat, sah sie, dass auch die bunten Lichter der Bar drüben erloschen waren. Ein paar Stimmen riefen durcheinander, jemand lachte nervös, irgendwo fiel ein Tablett. Sie griff nach ihrer Jacke. „Ich geh rüber, seh, ob June Kerzen übrig hat.“

Draußen war es stiller, als sie es je erlebt hatte. Kein Musikrauschen, kein Motor, nur der Schnee, der fiel. Ihre Schritte knirschten über den Platz, und von der Bar her kam ein schwacher Lichtschein, Taschenlampen, Handylichter, Menschen, die improvisierten.

Clay stand auf der Veranda. „Alles aus bei euch auch?“

„Ja. Beth überlegt, den Strom selbst zu beschimpfen, vielleicht hilft’s.“

Er lachte, trat zu ihr, strich ihr eine Schneeflocke aus dem Haar. „Na dann beschwören wir ihn gemeinsam. Oder wir nehmen Plan B.“

„Plan B?“

„Das Licht, das man nicht einstecken muss.“

Er hob ein Marmeladenglas. Drinnen brannte eine Kerze. „Granny“, sagte er. „Sie hat’s mir vorhin gegeben. Hat gemeint, für den Fall, dass uns die Technik im Stich lässt.“

Lainey lächelte, und Tränen stiegen ihr in die Augen, nicht wegen der Kälte. „Natürlich hat sie das.“ Sie drehte sich zum Dorfplatz. Menschen kamen aus dem Diner, aus der Bar, aus den Häusern ringsum. Kinder hielten Kerzen, die Erwachsenen Laternen, manche nur ihr Handylicht. Alle suchten nach Wärme, nach Nähe. Beth trat an ihre Seite, in einen dicken Mantel gewickelt, die Haare von Schnee bestäubt.

„Ich hab Punsch. Was hast du?“

„Eine Flamme.“

„Na dann, teilen wir.“

Sie gingen in die Mitte des Platzes, stellten die Gläser auf den Schnee. Eins, zwei, drei, und dann immer mehr. June stellte ihre Thermoskanne daneben, Beth reichte Becher herum. Das ganze Dorf sammelte sich im Licht der kleinen Flammen, die wie Sterne im Schnee brannten. Caroline kam langsam näher, gestützt auf Tom, das Gesicht im Schein der Kerzen weich und hell. „Na seht ihr“, sagte sie. „Man kann Licht nicht teilen, ohne dass es heller wird.“

Jemand begann zu singen. Erst eine Stimme, dann zwei, dann viele. Ein Weihnachtslied, alt und vertraut, das durch die Kälte drang wie ein Versprechen. Lainey stand neben Clay, die Finger in seinen Mantel geschoben, sein Atem an ihrer Wange. Die Stimmen verklangen, das Lied ebbte ab, und nur noch das Knistern der kleinen Feuerstellen blieb. Lainey trat mit ihm in die Mitte des Platzes. Vor ihr ein großes Glas, in dem die Flamme zitterte, das Licht, das sie zusammengetragen hatten. Sie nahm Clays Hand, fühlte die Kälte und die Ruhe darin. „Bereit?“ flüsterte sie.

Er nickte. Gemeinsam senkten sie die brennende Kerze in das Glas. Ein flüchtiges Aufleuchten, dann stand das dritte Licht da: still, stark, warm. Das Dorf atmete auf.

Caroline trat vor, ihr Gesicht von der Flamme erhellt. „Seht ihr“, sagte sie leise, „das Licht teilt sich nicht, es wächst.“

Niemand antwortete. Es brauchte keine Worte. Lainey lehnte sich an Clay. Über den Dächern tanzte der Schnee, und sie hatte das Gefühl, dass das, was sie gerade hielten, mehr war als nur ein Licht, es war ein Versprechen, das weitergetragen werden wollte.

Später, als die Menge sich zerstreute, blieb sie kurz allein auf dem Platz. Der Wind hatte gedreht, kam jetzt von Westen. Er brachte den Geruch von Fernweh mit, nach Straßen, die niemand kannte, nach Schuhspuren, die irgendwo hinführten. Lainey sah hinaus in die Dunkelheit jenseits der letzten Häuser. Sie wusste nicht, warum, aber sie dachte plötzlich: Irgendwer ist unterwegs. Dann drehte sie sich um, das Licht im Glas hinter sich und Arrowwood leuchtete weiter, als wollte es sagen: Wir sind bereit.

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