Kananaskis – die Anchor D Ranch

Anchor D Ranch

Leben und Reiten am Fuß der Rockies

Wenn du von der Kleinstadt Diamond Valley im Süden Albertas Richtung Westen fährst, dauert es nicht lange, bis von der geteerte Straße ein Schotterweg abgeht. Am Horizont liegen die blauen Linien der Rockies, davor Weiden und das Gatter der Anchor D Ranch. Hier beginnt das, was viele mit Kanada verbinden: klare Luft, Pferde im Morgenlicht und ein Stück echtes Ranchleben.

Dies ist der zweite Teil meiner Reihe über Kananaskis, eine Region, die mich seit Jahren begleitet. Dieses Mal geht es um einen Ort, der mitten in dieser Landschaft liegt: die Anchor D Ranch von Dewy Matthews.

Anchor D Ranch

Zwischen Prärie und Gebirge

Die Ranch liegt bei Diamond Valley, rund 70 Kilometer südwestlich von Calgary. Hier, wo die sanften Hügel der Foothills in die ersten Ausläufer der Rockies übergehen, öffnet sich die Landschaft weit. Der Blick reicht über Weideland, Flüsse und Wälder bis zu den schneebedeckten Gipfeln im Westen.

Von der Ranch führen unzählige Trails direkt in die Berge, vorbei an Espenwäldern, über Flussläufe und Hochwiesen. Wer morgens aus seiner Cabin tritt, hört manchmal die Coyoten rufen oder sieht einen Elch durchs Tal ziehen. Die Nähe zur Wildnis gehört hier einfach dazu.

Nur wenige Kilometer entfernt liegen mehrere Drehorte der TV-Serie Heartland. Viele Szenen wurden in High River, Millarville und Longview gedreht, dieselbe Landschaft, die auch den Alltag auf der Anchor D prägt.

Anchor D Ranch

Vier Jahrzehnte Ranchleben

Dewy Matthews hat die Ranch vor mehr als vierzig Jahren gegründet. Er ist Reiter, Outfitter und Züchter, jemand, der sein ganzes Leben in dieser Landschaft verbracht hat. Als ich in den frühen Jahren meiner Zeit in Kanada mein eigenes kleines Trailreiten-Unternehmen führte, waren wir beide Mitglieder der Alberta Country Vacations Association. Seitdem kenne ich ihn.

Über die Jahre hat er die Anchor D zu einer der bekanntesten Ranches im Süden Albertas gemacht. Mehr als 100 Pferde leben hier, darunter Zuchtstuten, Fohlen und erfahrene Trailpferde. Alle stammen aus der eigenen Zucht. Viele Gäste sind überrascht, wie ruhig und ausgeglichen diese Tiere sind. Das ist kein Zufall. Dewy legt Wert darauf, dass jedes Pferd von Anfang an Vertrauen lernt: kein Druck, kein Zwang, sondern klare, ruhige Arbeit.

Seine Pferde sind regelmäßig Teil der Parade der Calgary Stampede, dem großen Rodeo-Event, das jedes Jahr im Juli die Stadt eröffnet. Einige seiner Tiere standen sogar vor der Kamera, etwa in der HBO-Serie The Last of Us, die zum Teil in Alberta gedreht wurde.

Philosophie und Haltung

Dewy sagt oft, dass gute Pferde aus gutem Umgang entstehen. Für ihn bedeutet das Geduld, Klarheit und Respekt. Er behandelt seine Tiere wie Partner, nicht wie Werkzeuge. Auf den Trails lässt er sie ihren eigenen Rhythmus finden, vertraut auf ihre Erfahrung und ihren Instinkt.

Er beschreibt seine Ranch gern so:

Ours is a horse outfit, not a guest ranch.

Der Unterschied ist einfach: Auf einer Gästeranch reiten Besucher vielleicht eine Stunde, spielen dann Tennis oder gehen ins Spa. Hier nehmen wir die Reiter mit hinaus – weit ins Hinterland. Wir zeigen ihnen das Land so, wie es gesehen werden sollte – vom Rücken eines guten Pferdes aus – erklärt Dewy.

 

Dieser Satz bringt seine Philosophie auf den Punkt. Es geht nicht um Unterhaltung oder Komfort, sondern darum, das Land zu erleben, wie es wirklich ist. Das Pferd ist dabei nicht Mittel zum Zweck, sondern der Schlüssel, um sich in dieser Landschaft zu bewegen: ruhig, respektvoll, verbunden.

Wer mit ihm reitet, merkt schnell, dass er eine Haltung lebt, die von Ehrlichkeit und Verantwortung geprägt ist. „Diese Berge gehören uns nicht“, hat er einmal gesagt, „wir dürfen sie nur nutzen, solange wir sie respektieren.“

Im Ranchhaus spürt man dieselbe Haltung. Hunde laufen frei herum, sie gehören zur Familie. Gäste, Nachbarn, Freunde – jeder ist willkommen. Seine Tochter Katie sagt über ihn, ihr Vater sei „wie eine italienische Mama“, wenn es ums gemeinsame Essen geht. Kein Gast und kein Wrangler verlässt den Tisch hungrig. Seine Gastfreundschaft kommt aus dem Herzen, nicht aus Gewohnheit.

Anchor D Ranch

Alltag auf der Ranch

Morgens riecht es nach Kaffee und Leder. Um 6:30 Uhr versammeln sich die Ranchhelfer alle in der Küche, zum frühstücken und zur Besprechung des Tagesplans. Die Pferde sind zu diesem Zeitpunkt schon von den Weiden in Paddocks gebracht worden. 

Die Gäste genießen ihr Frühstück um 8 Uhr und können danach beobachten, wie draußen weiter daran gearbeitet wird, einen Reittag beginnen zu lassen. Die Wrangler und Wranglerinnen, so nennt man übrigens die Ranchhelfer, die sich um Pferde und die Ausritte kümmern, satteln in ruhiger Routine, scherzen und lachen untereinander. Sie sind nicht nur Arbeitskollegen, sondern Freunde, die ihre Arbeit lieben. Die Pferde stehen geduldig am Paddock, die Sonne steigt langsam über die Hügel.

Wer hier reitet, merkt schnell, dass alles Hand und Fuß hat. Es ist kein Showbetrieb. Dewy und sein Team arbeiten jeden Tag mit den Tieren, egal ob Gäste da sind oder nicht. Die Arbeit auf der Ranch folgt dem Rhythmus der Jahreszeiten: Fohlen im Frühling, Trails im Sommer, Weidepflege im Herbst und im Winter Schlittenfahrten. 

Anchor D Ranch

Reiten in den Rockies

Das Angebot reicht von Tagesritten über Wochenenden bis zu mehrtägigen Trails, die tief in die Kananaskis-Berge führen. Besonders bekannt ist der „Great Divide Ride“, ein siebentägiger Ausritt mit Übernachtungen in Zelten. Die Gruppen bleiben klein, das Tempo richtet sich nach Gelände und Erfahrung der Reiter.

Abends, wenn die Pferde grasen, wird am Feuer gekocht. Es gibt deftiges Essen, Geschichten vom Tag und manchmal Musik. Alles ist einfach, aber echt. Wer hier reitet, merkt, dass Abenteuer nichts mit Geschwindigkeit zu tun haben.

Auf der Ranch selbst können Gäste im Ranchhaus und in rustikalen Cabins übernachten, mit Blick auf die Weiden. 

Zwischen Arbeit, Natur und Verantwortung

Die Anchor D liegt am östlichen Rand von Kananaskis Country, dort, wo geschützte Parks in Privatland übergehen. Diese Lage prägt den Betrieb. Respekt vor Natur und Tieren steht im Vordergrund. Keine Motorfahrzeuge auf den Trails, kein Müll, kein Lärm. „Leave no trace“, hinterlasse keine Spuren, ist hier gelebter Alltag.

Viele der Pfade, denen die Ranchreiter folgen, stammen noch aus der Zeit der Trapper, First Nations und Viehtreiber. Wer hier unterwegs ist, bewegt sich durch eine Landschaft, die wenig verändert wurde. Dewy achtet darauf, dass das so bleibt.

Die Verbindung zur Region

Die Anchor D Ranch ist mehr als ein Ausgangspunkt für Ausritte. Sie ist Teil dieser Landschaft, wirtschaftlich, historisch und menschlich. Sie zeigt, wie eng Mensch, Tier und Natur hier miteinander leben können.

Von hier aus starten Reiterinnen und Reiter aus aller Welt in die Berge. Für viele ist es die erste Begegnung mit den kanadischen Rockies jenseits der Touristenzentren. Für andere, wie mich, ist es ein Wiedersehen mit einem Land, das man nie ganz hinter sich lässt.

Aufbruch in die Berge

Von der Anchor D Ranch aus begann auch mein eigener Reittrip diesen September 2025. Eine Woche durch Täler, über Bergrücken und entlang klarer Flüsse. Dort habe ich wieder gespürt, wie unmittelbar das Reiten mit dieser Landschaft verbunden ist.

Davon erzähle ich im dritten Teil dieser Reihe: vom Unterwegssein im Sattel, von Tagen ohne Uhrzeit und vom Gefühl, in einer Landschaft zu reiten, die größer ist als jede Vorstellung.

Anchor D Ranch – Fakten auf einen Blick

  • Standort: Diamond Valley, Alberta (ca. 70 km südwestlich von Calgary)
  • Betreiber: Dewy Matthews
  • Gegründet: Anfang der 1980er Jahre
  • Pferde: über 100 Tiere aus eigener Zucht (inklusive Stuten und Fohlen)
  • Angebote: Tages- und Mehrtagestouren, Cabin Rental
  • Umgebung: Drehorte der TV-Serie Heartland (High River, Millarville, Longview)

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