Mein versuchter Weg aus Starre und Sprachlosigkeit
Die vierte Woche der Reise liegt hinter mir und die Ereignisse in Europa, der Krieg in der Ukraine haben mich aus der Arbeit an mir selbst gerissen. Die beängstigenden Informationen haben bei mir erstmal alles lahm gelegt und mich in eine Schockstarre versetzt. Emotionen übernahmen die Kontrolle. Erst habe ich versucht, mich dagegen zu wehren. Wut, Angst, Aktionismus, Ablenkung und einfach keine Nachrichten mehr hören/lesen/sehen, all das hat mich wie eine Achterbahnfahrt mitgerissen. Und das lähmende Gefühl der Hilflosigkeit, das mit dem Bewusstsein einhergeht, dass ich die Lage für Andere nur wenig, zum Beispiel mit Spenden, verbessern kann.
Dann habe ich mich an den “Stopp”-Knopf erinnert, der negative Gedankenspiralen Einhalt gebietet. Und ich habe ihn gedrückt, so dass die umher schießenden Emotionen ruhiger wurden. Mein Verstand weiß, dass eine Bedrohung für mich nur als Gedanken-Gespenst unter dem Bett lauert und ich kann entscheiden, ob ich mit der Taschenlampe darunter leuchte, oder nicht. Und ich habe mich bewusst meinen Gefühlen gestellt, den Ängsten und der Hilflosigkeit. Ich bin mir bewusst geworden, dass das Arbeiten an meinen Gedanken, meinem Weg und auch mein Schreiben nicht sinnlos ist, sondern mich zu einem lichtvollen Menschen machen wird, der seinem Umfeld gestärkt beistehen kann. So konzentriere ich mich auf das Jetzt, auf mein “Jetzt” und frage mich, wie ich mein “Heute” produktiv und inspiriert gestalten kann. Was kann ich tun oder lernen, um in der folgenden Zeit mir und Anderen zur Seite zu stehen, mit Worten, Zuhören, einer Umarmung, Motivation, Inspiration und Hoffnung in dem Gefühl der Gemeinschaft.
Und so habe ich die vierte Woche meiner Transformationsreise wieder intensiv erfahren können.
Wie der Umgang mit der Vergangenheit unsere Zukunft bestimmt
Die vierte Woche der Transformationsreise, organisiert von der Buchhandlung Wage, drehte sich um Versöhnung mit der Vergangenheit. Begleitet wurde sie durch Teachings von Laura Malina Seiler.
Vorab: Ich spreche im folgenden Text sehr allgemein über schmerzhafte Erlebnisse und Erfahrungen mit dem Bewusstsein, dass diese immer sehr individuell sind und daher auch der Umgang damit, ein tiefer, persönlicher Weg ist. Bitte behaltet dies beim Lesen im Kopf.
Wir alle haben negative Erfahrungen, Enttäuschungen, schmerzhafte Erfahrungen, die in der Vergangenheit liegen, aber manchmal immer noch nachhängen. Warum ist mir das damals zugestoßen? Wieso habe vor so vielen Jahren nicht anders gehandelt, mehr getan, mich anders entschieden? Die Gedanken an die Vergangenheit, die Vorwürfe oder auch Schuldzuweisungen vergangener Ereignisse können nach und nach zu viel Raum in unserem Leben einnehmen. Es ist ein beständiges Leiden, aber meist nicht mehr, wegen der schmerzhaften Erlebnisse aus der Vergangenheit, sondern wegen der Gedanken und Erinnerungen an dieses Ereignis. Wir halten an diesen negativen Emotionen fest, die sich mit Selbstvorwürfen über verpasste Gelegenheiten und falsche Entscheidungen vermischen. Wir fühlen uns gefangen in dem Glauben, dass diese negativen, vergangenen Ereignisse unser Leben zwangsläufig bestimmen müssen.
Die Entscheidung, den Koffer zu leeren
Das Akzeptieren vergangener Ereignisse und Entscheidungen ist oft nicht einfach und sollte bewusst getroffen werden. Nur so können wir loslassen und die negativen Erfahrungen nicht in einem riesigen Koffer mit uns herumschleppen. Es bringt nämlich nichts, den Koffer nur zu öffnen, das “Leid” Menschen zu zeigen und darin eine Begründung zu sehen, warum wir heute kein Freude im Leben haben. Es ist mühsam und schmerzhaft ein Leben lang einen Koffer mit negativen Gefühlen hinter sich herzuziehen. Trotzdem fällt es vielen schwer, diesen Koffer endlich abzustellen und mit dem Ausmisten anzufangen.
Solange er voll ist, wir Anderen oder auch uns selbst Vorwürfe für vergangene Erfahrungen machen, so werden wir nach Laura Malina Seiler selbst zu Opfer und Täter. Wir geben die Verantwortung unseres Glücks an Andere ab oder quälen uns mit Selbstvorwürfen über eine Vergangenheit, die wir eh nicht mehr ändern können.
Alte Wunden schließen beginnt mit Vergebung
Vergebung, so Seiler, ist vielmehr als Verzeihen. Wichtig finde ich sich bewusst zu machen, dass Vergebung auch nicht vergessen bedeutet, oder den Kummer, das Leid, das uns angetan wurde in irgendeiner Weise zu rechtfertigen oder zu verharmlosen. Nach Seiler geht es vielmehr darum, für das eigene Leben wieder die vollständige Verantwortung zu übernehmen und die bewusste Entscheidung für das eigene Glück.
Wenn wir uns nicht mehr als “Opfer äußerer Umstände” begreifen, öffnen wir uns dem persönlichen Wachstum, den diese Erfahrungen mit sich bringen können. In dem Prozess der Selbstvergebung ist Mitgefühl und Güte dir selbst gegenüber wichtig. Verschließe dich daher nicht vor Angst, Wut, Schuld oder Scham, wenn dich im Alltag wieder etwas an schmerzhafte vergangene Erfahrungen erinnert. Aber gehe selbstbewusst damit um, fühle auch diese Emotionen als Energie, die du steuern kannst.
Mein Umgang mit vergangenen, negativen Erfahrungen
Ich werde nie müde zu sagen, wie glücklich und dankbar ich bin für das Leben, dass ich hier in Kanada erleben darf. Menschen, die mich nicht so gut kennen, sehen eine fröhliche, optimistische Frau, die gerne ein Lächeln, eine Umarmung, Motivation und Inspiration schenkt. Freunde wissen, dass auch ich vergangene schmerzliche Erfahrungen durchlebt habe, aber so schwer die Zeiten auch für mich persönlich waren, habe ich daraus lernen können und es nie zugelassen, dass mich Enttäuschungen, Verlust, Selbstvorwürfe allzu lange negativ, hemmend begleitet haben. Wenn immer alles schön und sonnig wäre, würden wir schnell aufhören, diese wunderbaren Zeiten zu schätzen. Alle Erfahrungen, auch die schmerzhaften, sind Teil des Lebens und, laut Seiler, brauchen wir sie für unseren eigenen Wachstum. Es liegt an uns, immer wieder neu zu entscheiden, wie wir als Mensch sein wollen. So manche Entscheidung und Reaktion, musste ich mir selbst vergeben, ebenso wie ich Anderen vergeben habe, die mich verletzt haben. Einen Groll zu hegen, macht mich selbst unglücklich und unzufrieden, daher vermeide ich es und versuche auch anderen Menschen zu helfen, solche energiefressenden Gefühle loszulassen.
Ich verabschiede mich von euch für heute mit diesen Worten von Laura Malina Seiler:
“Güte uns selbst gegenüber ist die stärkste Wandlungskraft, die es gibt. Gelingt es uns, die Erfahrungen mit Güte und Mitgefühl zu betrachten, eröffnen wir den Raum für Heilung.”